In einer Gegenwart, in der ein an materiellen Leistungsmerkmalen ausgerichtetes Verständnis des menschlichen Körpers und Gehirns etabliert ist, erinnert Tatjana Jungblut an eine ganz andere Tradition: den Kulturbegriff der Seele. Sie fordert die Fachleute auf, ihre Kenntnisse über die Rolle des Seelischen bei psychischer Erkrankung und Behinderung zu konkretisieren, und lässt dabei auf ein Ende der Reduktion des Psychischen auf Bewusstseinsvorgänge hoffen. »Intelligenztests« und die Konstruktion von Abweichungen wie Behinderung als defizitär erscheinen so als Missachtung der menschlichen Ganzheit. Diese wird mit einem historisch fundierten Begri der Seele zu greifen versucht: Stets entlang eines roten Fadens begibt sich die Autorin in Analysen von über 115 DenkerInnen schrittweise von der Antike bis zur Gegenwart.
Tatjana Jungblut studierte in Russland und Deutschland Philosophie, Religionswissenschaft, Linguistik, Germanistik, Psychologie und Soziologie. Sie arbeitet seit 2002 als klinische Psychologin, freiberufliche Dozentin, Coachin und Supervisorin. Neben der klassischen klinischen Psychologie sind ihre Schwerpunkte psychiatrische Versorgung, Psychosomatik und Persönlichkeitsentwicklung.
Testimonial vom Prof. Dr. phil. Wolfgang Jantzen (1941-2020)
Tatjana Jungblut hat das Unmögliche vollbracht: Dank einer wissenschaftlichen Diskussion des Seelischen von der Antike bis zur Gegenwart habe ich – ein gelehrter Materialist - die Seele für mich eröffnet und einen tiefen Konflikt gelöst.
Prof. Dr. Wolfgang Jantzen
Auszug aus der Rezension Prof. Dr. Dr. Peter Antes
Es ist das Anliegen der Arbeit, die Fragmentierung der Einzelwissenschaften durch einen holistischen Therapieansatz zu überwinden, bei dem der Seele wieder eine zentrale Bedeutung zukommt und ein großer Dialog zwischen allen Beteiligten angestrebt wird: Therapeuten, Ärzten, Seelsorgern, Politikern, Angehörigen und Betroffenen. Ziel dieses Dialoges und der Therapie ist es, „den Menschen die sonst verweigerte Teilnahme am großen Dialog zurückzugeben, die Ungerechtigkeiten, mit denen sie tagtäglich zu tun haben, überwinden.
„Um die offensichtlich vorhandenen fachlichen Widersprüche zwischen den Nachbardisziplinen wie Neurologie, Psychologie, Psychiatrie, aber genauso die allgemeinen Widersprüche zwischen Human- und Naturwissenschaften zu verstehen, muss man berücksichtigen, dass jeder Bereich unter dem Diktat seiner Lobby steht, der ärztliche z. B. unter der Pharmaindustrie." Diese Lobbyisierung wurde nur möglich, weil eine Reduktion von einem Seelenbegriff in der Drei-Substanzen-Lehre (Körper-Geist-Seele) auf eine Dualität (Körper-Geist) bis hin zur rein messbaren Größe wie Gehirn oder Bewusstsein stattgefunden hat, wodurch das Eigentliche des Seelisch-Psychischen verloren gegangen ist und durch die besondere Therapie- und Coaching-Programme wiederhergestellt werden kann.
Prof. Dr. Dr. Antes